14.05.2013

Aus der Stadt der sieben Seen in die Stadt der sieben Seen. Und dazwischen liegen 1200 Kilometer. Das ist, sehr vereinfacht ausgedrückt,  der Weg, den Paolo Bressan zurückgelegt hat. Der Solorepetitor und Dirigent am Mecklenburgischen Staatstheater und Leiter des Jugendsinfonieorchesters Schwerin kommt aus dem italienischen Varese, einer Stadt zwischen dem Lago Maggiore und dem Comer See. „La cittá dei sette laghi“ – Stadt der sieben Seen – wird der Ort genannt. „Was für eine Überraschung, als ich mich um eine Stelle in Schwerin bewarb und auf der Homepage las, dass es ebenfalls eine Stadt der sieben Seen ist“, erzählt Paolo Bressan vom Spiel des Zufalls. Seit  2008 arbeitet der 38-Jährige am Mecklenburgischen Staatstheater. Doch wie verschlägt es nun einen Musiker aus dem Land von Verdi und Puccini in das von Wagner und Bach?
Schon früh begeisterte sich Paolo Bressan für die Musik. „In der ersten Klasse konnten wir uns für außerschulische Angebote eintragen und ich entschied mich für ein Instrument. Also gaben sie mir eine Blockflöte“, erinnert er sich an die ersten „Tonschritte“. Die Lehrerin erkannte jedoch schnell das musikalische Talent des Jungen – und wenig später erhielt er bereits Klavierunterricht. Auch ein klassikverrückter Nachbar beflügelte diese Leidenschaft. „Ich weiß noch genau, wie ich mit einem Bleistift in der Hand eine der Beethoven-Sinfonie dirigierte, die er ständig auf seiner Musikanlage hörte“, sagt Paolo Bressan.
Geradlinig war sein Weg trotzdem nicht. „Ich hatte Probleme mit meinem Klavierlehrer, der mir regelrecht die Lust auf klassische Musik nahm. Stattdessen habe ich Rock, Heavy Metal und Soul gemacht, hatte eine eigene Band“, erzählt er. Das ist sicher auch der Grund, weshalb er viel Verständnis für junge Leute hat –und dafür, dass sie auch mal etwas anderes probieren müssen. Bressan selbst zog es immer wieder zur Klassik zurück. Er legte das Klavierdiplom ab und studierte Komposition, Chordirigieren und Musikwissenschaft an der Hochschule für Musik in Mailand. Anschließend wollte er irgendwo in Europa weiterstudieren. Durch Zufall ergab sich die Möglichkeit für ein Austauschjahr in Weimar. Es folgte ein Aufbaustudium im Fach Dirigieren und Korrepetition. Für den Italiener eine spannende Begegnung mit dem Land, aus dem viele von ihm verehrte Komponisten stammen - wie die „drei großen B“ Bach, Beethoven und Brahms. An der Hochschule in Weimar entdeckte er schließlich auch den Aushang, auf dem ein Korrepetitor am Mecklenburgischen Staatstheater gesucht wurde – und machte sich auf in die deutsche Sieben-Seen-Stadt. An die zuerst nur befristete Stelle schloss sich im September 2008 ein Vertrag an. 2011 übernahm Paolo Bressan die Leitung des neu gebildeten Jugendsinfonieorchesters Schwerin.
Die Arbeit mit den jungen Leuten begeistert ihn. Und er ist stolz auf ihr gutes musikalisches Niveau - allein acht Mitglieder des Jugendsinfonieorchesters haben das Bundesfinale von „Jugend musiziert“ erreicht. Die gute Arbeit an den beiden Musikschulen Konservatorium und Ataraxia  ist dafür die Voraussetzung. „Es gibt in Schwerin ganz hervorragende Lehrer – Lisa Ballschmieter, Anne Ramsenthaler, Ingolf Drabon“, urteilt der Orchesterleiter. Er sieht in der Musik das komplexeste Mittel, Menschen zu erziehen. Deshalb ist es für ihn auch sekundär, ob ein junger Musiker durch die Arbeit im Orchester seine Leistung steigern kann oder nicht. „Viel wichtiger ist, dass die sozialen Kompetenzen wachsen“, sagt Bressan. Er findet es unglaublich spannend, die Entwicklung der Jugendlichen zu verfolgen.  So stehen zum Beispiel zwei Geiger aus dem Orchester abwechselnd als Fiedler in Anatevka auf der Bühne – auch ein Beispiel für die sehr gute Zusammenarbeit mit dem Mecklenburgischen Staatstheater. „Wir bekommen von dort eine unglaublich große Unterstützung, die meisten Mentoren sind Musiker aus der Staatskapelle. Ohne das Theater wäre das sehr gute Niveau des Jugendsinfonieorchesters nicht möglich“, bekräftigt er.
Wenn Paolo Bressan am Seglerheim steht und auf den Schweriner See schaut, dann ist es fast wie bei ihm zu Hause. „Nur die Berge fehlen“, sagt der Musiker, der fünf Sprachen spricht und Kontakte in die ganze Welt hält. In Schwerin fühlt er sich wohl, die Wohnung in der Innenstadt, die kurzen Wege, all das gefällt ihm. Was ihm fehlt, ist eine Einrichtung, die hilft, junge Leute nach der Schule zu halten. „Schwerin wäre eine gute Hochschulstadt, so wie Weimar“, träumt Paolo Bressan. „Eine Hochschule bringt neuen Wind und neue Ideen in eine Stadt, das ist nur schwer zu ersetzen.“
Jetzt freut er sich aber erst einmal auf die nächsten Auftritte
des Jugendsinfonieorchesters: Am
1. Juni findet um 18 Uhr ein Konzert im Großen Haus statt. Am 10. August folgt dann bereits der nächste Höhepunkt: das große Jugendsinfonieorchester-Festival auf der Freilichtbühne.

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