„Es sollen alles Unikate sein“
Nando Kallweit erfüllt schon äußerlich nicht das Klischee eines Künstlers: Kapuzenpullover, Arbeitshose, Boots – ein Handwerker, könnte man denken. Und so weit hergeholt ist es ja auch gar nicht. In seinem Atelier zeigt er mir als erstes einen Schmelztiegel, in dem er aus Kupfer und Zinn Bronze herstellt.
Schließlich gießt er seine Figuren selbst, während die meisten Bildhauer dies von anderen Werkstätten erledigen lassen. Kallweit sagt: „So gebe ich keine Phase beim Schaffen des Kunstwerks aus der Hand. Außerdem macht es Spaß, ein wenig zu experimentieren, die richtige Mischung der Metalle für die Farbe und den Härtegrad der Bronzen zu finden.“
Diese metallenen Skulpturen seien in den Galerien derzeit wesentlich mehr gefragt als Bildhauerarbeiten aus Holz, mit denen der gebürtige Schweriner bekannt geworden ist. Er schätzt, dass inzwischen etwa die Hälfte seiner künstlerischen Produktion aus Bronzen besteht.
Vier kleine, vielleicht knapp handgroße Figuren sitzen nebeneinander auf einem Bord in seiner Werkstatt, bewacht von dahinter stehenden größeren schlanken „Königen“, die er mit Speeren bewaffnete. „Ich könnte dank der zuvor angefertigten Formen auch mehrere gleiche Figuren anfertigen, aber das will ich nicht“, betont der 42-Jährige. „Es sollen alles Unikate sein.“
Die „Firma“ Kallweit, das ist nicht allein Nando. Denn dazu gehört auch die Schmuckgestalterin Annett, Nandos Frau seit 20 Jahren. Sie lernten sich beim Abi kennen und studierten später gemeinsam in Lübeck Bauingenieurswesen. Schon da ergänzten sich die beiden prima. Sie sagt: „Er hat geschrieben, ich habe gehört.“
Die Jungs Jannik und Hendrik, 17 und 14 Jahre alt, sowie die 15-jährige Tochter Marike komplettieren die Familie. Und zumindest Jannik kommt sehr nach seinem Vater: Er ist groß, sportlich, kunstbegeistert. Nando spielte als Schüler ernsthaft Volleyball, Jannik ist Basketballer. Aber während Nando in erster Linie als Bildhauer agiert, malt Jannik lieber.
Nando Kallweit wollte ursprünglich Holzfacharbeiter werden. „Das wäre aber Spanschränke in Zeulenroda zusammennageln gewesen, wie sich herausstellte“, sagt er. Also entschied er ich anders, lernte in der Wendezeit Baufacharbeiter mit Abitur und hängte nach dem Zivildienst direkt das Studium hinten dran.
Um sich in dieser Zeit ein wenig Geld zu verdienen, riss er zunächst Teppiche raus, fand aber zügig qualifiziertere Jobs und war dann vor allem in Schleswig-Holstein als „Maurer im Reisegewerbe“ unterwegs, also als eine Art fahrender Handwerker. Künstler war er nebenbei schon längst. Bereits als Kind hatte er seine Leidenschaft fürs Schnitzen entwickelt – und die dann auf ein immer höheres Niveau gebracht.
Inzwischen ist er einer der bekanntesten Künstler der Region. Sein Grundstück, Atelier und Privathaus befinden sich in dem Dorf Badow bei Lützow. Die Galerien, mit denen die Kallweits zusammenarbeiten, liegen teils weit entfernt, eine sogar in Santanyi auf Mallorca.
Während manch anderer bildender Künstler Probleme hat, von seiner Arbeit wenigstens halbwegs leben zu können, ließ Kallweit das Geschäftliche nie aus den Augen. Nicht bei jedem Kollegen käme diese pragmatische Sichtweise gut an, sagt er. Er sei sich auch nicht zu schade für Auftragsarbeiten.
Inzwischen verfüge er über einen ansehnlichen Kundenstamm, Leute, die ihre Wohnung oder ihr Haus gern mit von ihm geschaffenen Werken schmücken. Eine große Holzskulptur mit dem Namen „Phönix“ hat er gerade nach Barcelona verkauft. Anstatt eine Spedition zu beauftragen, fahren Annett und Nando demnächst selbst runter an die spanische Mittelmeerküste, um das Werk persönlich auszuliefern. Ein schöner Anlass, neue Kontakte zu knüpfen.
Eine Woche nach Pfingsten zeigt Kallweit in einer Galerie in Rom Holz- und Bronzearbeiten, und zuvor stellt er in der estnischen Hauptstadt Tallinn Skulpturen für das große „Flower Festival“ auf. Zu Pfingsten selbst aber kommt er nach Hause, dann präsentieren sich die Kallweits zum bereits achten Mal bei „Kunst offen“.
Kunst hier, Kunst da – es gebe Tage, sagt Nando, da sehne er sich nach Abwechslung: „Dann habe ich Bock, mal wieder mit dem Radlader rauszufahren und ein Fundament zu legen.“ S. Krieg